23. November 2012

"You come from there."

Mama, wo komm' ich her? frag ich sie. Sie denkt wohl, au weia, jetzt kommt das mit dem Penis und der Vagina, oder vielleicht doch lieber Schwanz und Möse und erklärt mir langatmig was von, wenn Mann und Frau sich sehr lieb haben, dann bekommen sie ein Kind. Von wem? Und haben Tante L. und Onkel H. sich denn nicht lieb? (Die hatten nämlich keine Kinder.) Dochdoch, kommt sie ins Stottern und redet weiter irgendwas, das ich vergessen habe.

Sie hat meine Frage nicht verstanden. Keine Mutter und kein Vater verstehen je diese Frage richtig! In Wo komme ich her geht es nicht um langweilige biologische Vorgänge wie Sperma trifft Ei, ich wusste ja damals gar nicht, dass es sowas wie Fortpflanzung überhaupt gibt, sondern um Wo war ich vorher, Mama, bevor ich hier war?

Und so ist die Erinnerung an das Lächeln des indischen Astrologen, als er sagt You come from there eine ganz und gar wunderbar zufriedenstellende Antwort auf meine kleine Frage von damals. Italien!

Nur wenig begeistert mich mehr als sehr sehr alte Ruinen. Die Etrusker sind nochmal 2.000 Jahre älter als die Ägypter, das reicht schon, die ollen Steinhaufen sind toll, damals mit T., den ich hätte heiraten sollen, wir in Umbrien und all diesen Orten, die von Geschichte nur so quellen. Von mir aus auch das frühe Mittelalter, dunkle romanische Kirchen mit dicken Säulen und kleinen Fenstern. Die Frau Montez und ich auf der Insel Reichenau, da gibt es noch Originale:
romanisches
Ein paar alte Säulen.

Und jetzt muss ich noch ganz schnell erzählen, wie der Sohn meiner Schwester, als er so klein war wie ich damals, außer sich geriet, während wir alte Fotos aus unserer Kindheit ansahen, meine Schwester und ich in allen möglichen Posen im Garten, beim Spielen, beim Rumhängen. Und wo war ich da, schrie er und warf die Fotos durcheinander mit schwitzigen Händchen, wo bin ich da gewesen?

Du warst noch nicht hier, mein Kind. Aber jetzt bist du's. Willkommen.

Chutney ist auch bloß Marmelade mit scharfen Gewürzen.

Gerade bei Frau Montez auf Herrn Herrndorfs Blog gestoßen. Was für eine Sprache! Der Mann war mir fremd bisher, gleich morgen seine Bücher bestellen, auf jeden Fall Tschick. Beim Webstöbern ist mir aufgefallen, dass es ja die Große Woche des Todes bei der ARD ist. Ich habe grad die aktuelle Folge Dexter online angeschaut, das ist der serial killer, den alle so lieb haben. Auf Facebook hat er übrigens gut zwölfeinhalb Millionen Fans. Krasser kann ein Tag mit Medien nicht verlaufen. Der eine killt mal eben mit links einen Widersacher, der andere schreibt sich vor Todesangst die Seele aus dem Leib. Und bei Anne Will wird über Nahtoderfahrungen diskutiert.

Im Frühjahr, während der Reise nach Indien, besuchte unsere Gruppe einen vedischen Astrologen. In seinen unordentlichen Laden im Stadtteil Laxman Jhula in Rishikesh lud er uns und legte allen nacheinander für 700 Rupien das Horoskop aus. Er ist nicht nur ein Gelehrter, der anhand des Charts die Persönlichkeit beschreibt, sondern angeblich auch ein Sehender, der den Menschen direkt ins Gemüt blicken kann. Sogar die Yogis lassen sich von ihm beraten.
Astologie und Yoga
Das handgemalte Werbebanner.

Wir sollten Fragen bereit halten, aber mir fielen keine ein, die wichtig genug gewesen wären, einen Weisen damit zu behelligen. Liebe, Beziehungen, Arbeit, Eltern, all der Kram. Und so saß ich vor ihm auf dem zerlatschten Boden, gab nur meinen Namen und meine Geburtsdaten an und er tippte alles in sein Programm. Dann sang er einige Gebete und Mantren auf Sanskrit, dazu der Straßenlärm durch die angelehnte Tür und die Szenerie war weitab von feierlich und heilig.

Jetzt ohne ins Detail zu gehen, dazu war's zu intim. Er fing mit meinen Eltern an, ihre damatische Beziehung, die Todesursache meines Vaters, berichtete äußerst liebe Dinge über meine Schwester und ihren Sohn, von meinem idealen Beruf als Designerin, über meine Beziehungen, men come and go, come and go und damit gings direkt zur Sache. Damals mit T., es sei eine gute Zeit zum heiraten gewesen. Tja, denke ich, wenn er das nicht schon gewesen wäre… And the actual guy, der Esoteriker, es hätte vielversprechend begonnen, aber es sei ein stetes Auf und Ab, not good, und ich solle besser allein sein. Und dann sah der den Geräuschemann, er schaute ins Leere und er lachte, this man is crazy, er starrte weiter in den Raum und lachte noch mehr, als könne er nicht glauben, was er sah, sagte etwas, das mich sehr traf, ich musste ein bisschen zetern, er sah mich voller Mitgefühl an, it's good that you're over him. Naja. Jedenfalls. Ein paar Details über gesundheitliche Probleme folgten, aber meine Gesundheit sei stark, solange ich Yoga üben würde, und ich würde sehr alt. Die Zeit der Todesangst über das Ende des Körpers ist also noch ein bisschen hin. Ich solle nicht so viel denken, thinking, thinking, thinking und – bis nächstes Jahr warten, denn da würde eine very good relationship sein, a very good man, mit Prädikat. Hm. Meine Skepsis muss mir anzusehen gewesen sein. Ich solle so viel wie möglich reisen. Ob ich Italien mögen würde. Ja. Er lächelt: You come from there. Zum Schluss nimmt er meine Hand und hält sie eine Weile. Es ist schon erstaunlich, was er jeder von uns gänzlich ohne Vorkenntnis auf den Kopf zugesagt hat. M. solle sich im Übrigen von ihrem Mann trennen, und jedesmal wenn wir uns sehen, fragen wir nach, na, hast du dich schon getrennt? Sehr lustig.

Und so warte ich also auf's nächste Jahr, hallo Zukunft, und schaue mal, wie eine very good relationship sein kann. Manchmal fürchte ich, es ist schwer, sich auf meine Eigenarten ernsthaft einzustellen. Wahrscheinlich kann das nur a very good man. Wenn jemand mich vom Tagesaufablauf abhalten wollte, würde ich muffig, und wenn ich mich abhalten ließe, auch. Wenn jemand die falsche Musik hörte, müsste ich flüchten, und Haschisch rauchen und Tintenfischringe braten in meiner Küche darf auch niemand mehr. Aber das ist eine andere Geschichte.

Das 'Gelände' bietet halbwegs reuelose und teils einfallsreich bebilderte Texte, nach uraltem Rezept geschrieben, gesammelt, im Zeitstrahl gebannt und von aufständischen Dadaisten in letzter Sekunde gut geheißen.

Hier kommt ein Bild:

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