Gedankenwellen

31. Dezember 2012

Sortie

Da ist immer so eine Tendenz, etwas nicht zuzulassen. Etwas als mir zugehörig zu verneinen, zumindest das Schmerzhafte. Natürlich bin ich eine Verfechterin von und Fachfrau für Sehnsucht haben. In meinen sehnsuchtvollsten Momenten bin ich mir nah, dann kommt auch der meditative stream nah an mich ran. Sehnsucht hat man aber nach etwas oder jemandem das/der/die nicht da ist. Sehnsucht ist Abwesenheit. Gestern Nacht hat es mich wieder gesehnt und ich habe unerquicklich viel Zeit damit verbracht, einen bestimmten Namen zu googeln. Das mache in in regelmäßigen Abständen, wie ein Zwang. Mittlerweile kann ich davon ausgehen, dass die andere Person gleichzeitig an mich denkt, wir hatten immer ein gutes telepatisches Dings. Trotzdem, es tut weh. Ich tu mir weh damit. Andererseits gewinne ich damit Erkenntnis über die Beschaffenheit von Sehnsucht. Es ist ein schweres Gewebe, und es ist immer gleich. Klesha. Nur durchschaue ich es nicht. Aber es ist fühlbar. Vielleicht ist es auch nur ein Gedanke, eine Farbigkeit von Sosein, ein gefärbtes Fließen durchs Bewusstsein.

Es ist die Farbe, die mich nervt. Dieses immer gleiche, aus dem ich nicht heraus kann. Ich kann mich nicht entfärben, da ist immer etwas, das mich ausmacht, etwas Beliebiges, aber nicht Abwerfbares. Die Sehnsucht geht dann in ein Sehnen nach etwas anderem über, ein Nichtsein, ein Leben lang der Tropfen sein, der sich aus der Gischt löst und am Ende wieder im Meer aufgeht. Und alles ist. Oder nichts Bestimmtes.

Dieses Bestimmte ist die persönliche Farbe. Die Attribute, die ich mir zuschreibe, Mensch, Frau, Tochter, Schwester, Freundin, Designerin, Yogi, alleinstehend, in Norddeutschland zuhause und so weiter. Immer kleiner und spezifischer, Haare, Augenfarbe, Größe, Vorlieben, Abneigungen, sexuelle Präferenzen. Fingernagelform, Ohrenwackeln möglich, Hautfarbe im Sommer, Muskeltonus. All das Körperliche. Und dazu das nicht Fassbare, die Gedanken, die Nöte, Sorgen, Gefühle, Süchte, Wünsche. --

Jetzt bin ich bei der Bestenfreundin und genieße das erste alkoholische Getränk des Abends. Sowas ähnliches wie ein Kochbier. Endlich Entspannung. Im übrigen ist Life Of Pi ein großartiger, schöner, wunderbarer und bester Film des Jahres für mich. Auf ein Neues.
27. November 2012

Punkt

In der Nacht stiegen wieder die ganzen vrittis hoch. Deshalb bin ich schon wach und versuche, über was Bestimmtes zu schreiben. Im Südosten seh ich den Himmel hell werden und nachher bin ich mit M., der Leserin, zum Frühstück verabredet.

Gestern hatte sich die Buddhistin zur Abendmeditation angekündigt, in deinem Schlafzimmer, schreibt sie in Großbuchstaben, you know. Natürlich sind in meinem Schlafzimmer schon andere Dinge passiert, worauf sie wohl anspielt, aber mit ihr fast ausschließlich Meditationen. Sie bringt zwei Brötchen mit, ich hatte schon gegessen, aber ich biete ihr für ihr Brötchen die scharfe Marmelade an und den Ziegenkäse vom Bodensee. Wir reden sofort, wie immer, wir kommen immer sofort zur Sache. Über, ich hab das Wort vergessen, jedenfalls die Tatsache, dass die Nachkommen von Menschen mit Kriegserfahrungen diese mit ihren Vorfahren nicht nur mitfühlen, sondern dass sie die Erfahrungen verinnerlicht haben, als wären es die eigenen. Die Buddhistin spricht von Empfindungen, die sie selbst oft hat, die sie überkommen, sie aber nicht einordnen kann. Unter diesem Begriff, der mir entfallen ist, gibt es Texte und Listen, die die Störungen der next generation-Folgeversehrtheit aufzählen, Depressionen, Beziehungstörungen, Kinderlosigkeit, Einsamkeitsgefühle, Selbstüberforderung etc. Ich behalte dazu eine gewisse yogische Distanziertheit, aber finde das Besprochene mindestes so interessant, dass mir natürlich zu mir auch viel einfällt. Die Eltern als 12-, 13-, 14-jährige im letzten Kriegsjahr, die Bomben fliegen ihnen um die Ohren, der jüngere geliebte Bruder wird nochmal eben an die Front geholt und stirbt dort mit 19, in den Jahren nach Kriegsende kommen die viel älteren Geschwister und deren Partner aus ihren jeweiligen Gefangenschaften und wohnen zusammen in der Wohnung meiner Großeltern, die aus allen Nähten platzt. Meine Mutter als Jüngste, das Nesthäkchen, die in die aufwühlenden, angstvollen Erinnerungen der älteren Geschwister nicht eingeweiht wird. Sie merkt bloß, etwas stimmt nicht (mehr). Ähnliches bei meinem Vater, seine Halbgeschwister waren da etwas patriotischer, auf Fotos sieht man sie mit gewissem Stolz ihre Uniformen tragen. Über seine Kriegserinnerungen weiß ich nicht viel. Seine Erzählungen setzen erst in den 50ern an, Petticoat, tolle Haare, Musik, tanzen, feiern mit Freunden, vielleicht noch die Messdienerzeit, dann Freundin, dann Studium, dann Ehe, dann Kinder, dann wir. Ich schweife ab.

Die Buddhistin und ich ziehen uns dann ins Schlafzimmer Meditationszimmer zurück. Übrigens liebe ich diesen Raum. Er ist nach Süden und Osten schräg, man nennt das wohl Walmdach, und die südliche Schräge hat eine Gaube mit einem hochgelegenen Fenster, aus dem nur der Kopf herausschaut. Also von innnen nach außen. Wie eine Art Mönchszelle wirkt das Zimmer. Es sind höchstens 10 qm mit altem Holzfußboden, auf die ich die vom Vater geerbten Teppiche ausgelegt habe, die Wände sind, wie in der ganzen Wohnung, unordentlich rauh und ohne Tapeten. Es gibt einen kleinen Altar in einer Zwiebelkiste mit einem goldenen Buddha, den ich von der Stimmlehrerin geschenkt bekommen habe und weiteren Andenken, Bildnissen, schönen Steinen aus dem Ganges, Murmeln, eine kleine Entenfigur von L. aus Cornwall, ein emailliertes Tellerchen mit Blütenmuster und die obligatorische Kerze.

Da sitzen wir dann auf der Matte und tun nichts schweigen voreingestellte 40 Minuten, die das Smartphone mit einem aufschreckend grellen Gongton beendet. Wir entspannen die Leiber in die Liegeposition und so bleiben wir, die Kerze erlischt irgendwann, liegen und reden im schwachen Licht, das vom Hinterhof hereindämmert.

Die eigene Persönlichkeit… Der Buddhistin ist es, als würde sie mehr über sich selbst wissen wollen. Alles herausfinden, was da so brodelt in der Unterwelt. Es gibt einige Minuten Unstimmigkeit zwischen ihr und mir, die ich die Persönlichkeit bloß als klesha, als Schleier, die die Göttlichkeit verdecken, beschreiben möchte, und als solche natürlich zu vernachlässigen sei. Diese Uneinigkeit kann ich abfedern, in dem ich etwas von meiner vielleicht in diesem Zusammenhang zu sorglosen Position abweiche und die Persönlichkeit selbstverständlich als betrachtenswertes Konglomerat an Kram zu würdigen im Diesseits mich beeile.

Letztendlich ist dieser Raum aber leer, und auch wir beginnen beim Sprechen, die Persönlichkeit als eigentlich Leeres zu erkennen, spätestens beim Thema Beziehungen wird klar, dass der Teil, der sich beziehen möchte, bloß geliebt werden und Anerkennung finden will, der Wunsch gesehen zu werden, macht sich suchtartig an den anderen Menschen fest und ja – was, ja. Wir leben, um uns dieses Erkanntwerden selbst zu schenken, indem wir uns selbst sehen und erkennen. Und man kann etwas am besten erkennen, indem man in es reinschlüpft, sich identifiziert und es praktischerweise selbst ist!

Das haben wir so gestern nicht gesagt, aber das ist die Essenz, die ich heute daraus ziehe.

Mein geliebter Swami VB, dessen Namen ich hier nicht ausschreiben möchte, weil ich im Web nicht gefunden werden möchte als Verfasserin, die über ihren Guru schreibt, er sagt, er wäre kein Guru, sein Meister sei sein Guru gewesen, er selbst verfüge nicht über solch eine Macht. Aber als meinen Guru sehe ich Swami, gu ru, die Vertreiberkraft der (geistigen) Dunkelheit.

Nachdem die Buddhistin gegangen war, nach Stunden, hörte ich mir noch eine der tausenden von mitgeschnittenen lectures von Swami VB an, die er im Laufe seiner über 60-jährigen Lehrerzeit in Ashrams, auf Symposien in der ganzen Welt oder vor kleinen Schülerscharen, von denen ich selbst ein Teil bin, gehalten hat. Jeder dieser Vorträge ist eine Perle für sich. Man kann sie im Abo erwerben und sich auf den Rechner laden. Swami VB bedient sich eines Wissens, das er mit einer Selbstverständlichkeit teilt wie – jetzt wird's albern, eine Wiese, auf der Rehe äsen am Morgen und mit einer Natürlichkeit, Steinböcken zu eigen, die in schwierigstem Gelände noch lyrisch tänzelnd ihre Bewegung äh, performen, als gäb's nichts Einfacheres. Auch die älteren Vorlesungen besitzen Frische, Aktualität und die gleiche Schönheit derer aus den letzen Jahren.

Unity in Diversity, darüber spricht er gestern für mich. Der Vortrag ist schön, und ich, mittlerweile auf dem erdnahen Futon in diesem schönen Raum liegend, lache. Swamis Stimme quillt vor Begeisterung, ich muss den Ton leiser stellen, oft fragt er das Publikum, you get it?, und anscheinend verstehen sie nichts, denn er holt erneut aus, spricht über den Tropfen, der sich aus der Gischt des Ozeans für eine kurze Weile erhebt, und in diesem kleinen Moment ruft er, seht, ich bin ein Tropfen, seht her, wie glänzend und einzigartig, ich bin hier, ich, der Tropfen gefüllt mit Leben, so wie all die anderen Tropfen um mich herum, aber bunter noch, lebendiger, ich, ich… – und dann, und dann, fällt er wieder zurück in den Ozean, von dem er ein Teil ist, immer schon ein Teil war und immer Teil sein wird, nein, so ist es nicht, er ist der Ozean, jetzt ist der Tropfen wieder eins mit allem, und so weiter. Das ist natürlich ein Bild für das Leben, das sich für kurze Zeit einzeln fühlt und sich darüber so ereifert und identifiziert mit, –

und jetzt kann ich nicht mehr weiterschreiben, weil mir fehlen leider die Worte und gleich bin ich mit M., der Leserin, zum Frühstück verabredet, ich wollte nur kurz darüber erzählen.

Das Mikrofon, mit dem die lectures aufgenommen werden, ist gewöhnlich am Gewand Swamijis festgemacht, irgendwo in Herznähe. Somit hört man Rascheln, Teetrinken, -gluckern und Kichern, als käme es aus der eigenen Brust. Swami singt noch einige Verse, er singt in Sanskrit, meine Güte, wie schön sich das anhört, wie intim seine Stimme direkt hier, jetzt sehr zart, schmelzend und wieder ganz ruhig, er hat seinen Anfangspunkt gefunden, der gleichzeitig ein Endpunkt ist, ein kleiner Punkt, Bindu, aus dem das ganze Universum gemacht ist.

Achso und ein Witz: Der Dalai Lama geht in eine Pizzeria und bestellt: Make me one with everything. Haha.
6. November 2012

Die lange Weile

Ich frage mich, ob ich mich fragen sollte, ob ich nicht ein langweiliges Leben führe. Weil ich mich nicht mehr so oft aufrege. Über gesellschaftliche Ereignisse, über Politik und Religion, ja, sogar über Kunst können sich Menschen ereifern. Aufregung schenkt ein Gefühl von Wichtigkeit. Aufgeregte Menschen bekommen Aufmerksamkeit, man kann ihnen gar nicht entkommen, wenn sie ihre beliebigen Kommentare lauthals ins Café spucken. Ich rege mich höchstens noch darüber auf, dass sie sich aufregen.

Die Busenfreundin, nennen wir sie jetzt mal J., ergibt sich seit Jahren einer Daueraufregung über ihre psychischen Macken Altlasten, die sie in Therapien versucht zu bezwingen bewältigen. Meine Güte, was haben wir uns darüber oft gezankt, einmal musste ich regelrecht aus der Wohngemeinschaft flüchten, um unserem Gebrülle zu entgehen, und ins Treppenhaus hinein schrie sie 'blöde V***e' mir nach. Das ist heute nach 15 Jahren lustig, man, damals hatte ich Herzrasen.

Zur Zeit ist es die Bruderbeziehung, die sie bekümmert. Es sei damals irgendetwas 'Schlimmes' vorgefallen, wie sie mir, diesmal flüsternd, versichert. Ich daraufhin sehe bloß zum Fenster hinaus und frage mich insgeheim, was gibt es eigentlich noch 'Schlimmes' in den Erste-Welt-Leben, die wir führen? Wir sind gesund, noch halbwegs jung, gelinde wohlhabend, mit genügend fruchtbaren Projekten und Freundschaften gesegnet und ausreichend Sex. Die Vergangenheit ist, nun… vergangen. Seit langem. Also, was kann 'das Schlimme' sein? Sie wispert nur noch, 'Missbrauch, Inzest'. Natürlich mit einem Fragezeichen in der Stimme, wer weiß das schon. Ich seh wieder aus dem Fenster und denke 'na und'. Das sag ich aber nicht.

Vielleicht wird man zynisch, wenn man zu lange jahrelang meditiert. Vielleicht ist es auch eine altersbedingte Gelassenheit, die das Schlimme in der Welt anders beleuchten und (endlich) begreifen kann. In dem Jetzt, in diesem Moment, gibt es für uns beide nichts Schlimmes. Die unsichtbaren Listen im Sinn mit all dem Bösen, das jetzt in diesem Moment in der Welt passiert – hier passiert es gerade nicht! Hier passiert gerade überhaupt nichts außer Sonnenschein und Wolkenziehen. Und das ist so grandios, dass es mich fast umhaut vor Glück.

Das möchte ich der J. gerne sagen. Sieh hin! Aber sie sagt nur 'ja, aber…', und das neuerdings dauernd. Die Möglichkeit inneren Friedens scheint sie sehr aufzuregen. Das regt mich dann wieder auf und ich lasse sie weiter monologisieren über ihre verkorkste Kindheit, den aggressiven Vater, die egozentrische Mutter und jetzt auch noch den schlimmen Bruder. Und dass man die Vergangenheit bearbeiten muss, glaubt sie, man muss nochmal hineingehen in den Scheiß, um endlich davon frei zu sein.

Sie begreift nicht, dass dieses 'frei sein' ein 'frei werden' ist, das in unbestimmter Zukunft liegt. Noch ein bisschen Psychoarbeit, noch mehr Aufräumen, und nochmal vergangenes Unheil wiederbeleben, mit einem Herz rauh von Trauer und Abscheu. Nimmt das jemals ein Ende?
29. September 2012

Was macht man mit acht winzigen Oliven?

Auf dem Fensterbrett wird es Herbst. Das Fensterbrettgeschehen scheint ja eine meiner Lieblingsbetrachtungen zu sein. Dort passiert nichts Wildes, kein Urwald, wenig Unkraut, ein paar Tiere. Das Spinnennetz wurde nach einem Sturmschaden weiter links zwischen Ringelblume und Regenrinne neu gewebt, im Hochsommer nistete eine Blattschneiderbiene und es gibt Käfer, weitere Bienen, Wespen, dicke bunte Fliegen und Marienkäfer der bösen eingeschleppten Art.

Es ist angenehm, wenn die täglichen Gedanken sich auf wenige Inhalte konzentrieren. Mit der Buddhistin teile ich die Übungserfahrung, Gedanken zu beobachten und sie wie Wolken vorüberziehen zu lassen, ohne sich mit ihnen zu identifizieren. Wo kommen Gedanken her, warum sind es diese und nicht jene, warum denkst du deine und ich meine. Als sie und ich mitten auf dem Bürgersteig stehen, den eiligen Marktbesuchern im Wege, erlebe ich die Zeile 'die Gedanken sind frei' völlig neu. Die Gedanken sind wirklich frei, aber wir fangen sie immer wieder ein und erlauben ihnen, an uns kleben zu bleiben. Ein passives Geschehenlassen ist das nicht gerade, sondern eine aktive Einladung: Kommt her und klebt. Bleibt! Raubt uns den Schlaf und die Nerven, macht euch breit wie Kaugummi unter den Schuhen, wie Damen, die im Weg stehen und seltsames Gedankengut bequatschen.

acht-Oliven1

Am Olivenbäumchen wachsen jedenfalls acht pfefferkörnerkleine Olivchen. Vor einer Viertelstunde schien dort noch die Sonne, jetzt drängen Windböen und ungemütliche Wolken, das Fenster zu schließen.
27. September 2012

Lass uns über Krankheiten reden

Das Wasser durchziehe ich mit langem Atem, hinter den großen Fenstern wechselt das Wetter, Sonnenstrahlen, glitzernde Wellen. Ich denke an T., der schon mit 48 einen Stent irgendwo in den Adern hat, oder M., die sich alkoholisch vernebeltet an einem Eisenzaun den linken Ringfinger aufgerissen hat, der jetzt dramatisch und hässlich schwarz verheilt und wahrscheinlich nicht mehr richtig zu benutzen ist. Wehe Gedanken beim Schwimmen. Dankbarkeit, dass mein Körper so gesund ist. Bewegungsfreudig. Genüsslich.

Immer noch glotze ich mich durch die sechs Staffeln 'Dexter', die mit dem Serienmörder, dem vielen Blut und appen Körperteilen. Die Schuldgefühle sind fast verschwunden, mit dem Effekt, dass auch gleichzeitig die Schuldgefühle, die mich betreffen, gelindert werden. Die Themen, an denen ich kranke, der Ballast, der mich irritiert – da ist plötzlich ein ganz anderes Verständnis für das Menschsein. Menschsein ist so! So wie der Körper aus allen Elementen der Erde gemacht ist, so ist das Wesen des Menschen einfach 'so'.

Es sind ein paar friedliche Wochen vergangen. Das Leben ist einfach und die Wünsche an es sind gering. Eine Stille. Noch am Anfang des Jahres bis in den Sommer hinein war es aufregend, der Esoteriker hat mich aufgeregt mit seinen Themen, den Gesprächen, mit seinem So-Sein. Ich wollte vieles annehmen, da war noch ein Drang zu gefallen, der ist jetzt kaum mehr spürbar. Die Gefallsucht ist fort. Sie steckte wie eine aufputschende Krankheit in allen Körperteilen. Eine Art Jagdfieber. Lieb mich, oder ich verlass dich. Oder umgekehrt. Der Tontechniker mein Lieblingsjagdziel. Ein bisschen immer noch nach so langer Zeit. Aber darüber ist schon ein Lächeln zu spüren. Mädchenhaft.
20. September 2012

Day Of Forgiveness

Der Esoteriker hat mir ja esoterischerweise diese geschliffenen Glasdinger aus Swarovski zum Geburtstag geschenkt. Davon hängen nun drei kleine und ein großer im Fenster und wenn die Sonne scheint und ein Lüftlein weht, machen sie kleine Regenbogenelfchen, wie er sagt. Und wie! Die bunten Dinger fliegen überall rum, das sieht verdammt hübsch aus.

Das neue Sofa ist auch sowas. Hier verbringe ich meine komplette Freizeit und manchmal sogar die Nächte. Freizeit ist jetzt, vor der Arbeit. Ein Tablett mit dem Frühstück, ein braunes dickes Schafsfell und überall Regenbogenelfchen. Die Haschpflanzen müssten jetzt auch soweit sein. Auf der Fensterbank hat die Kapuzinerkresse nochmal Blüten nachgelegt, die acht winzigen Oliven bekommen ein bisschen Farbe, die Ringelblume ist verblüht, das Johanniskraut belaubt sich bunt und vom Salbei gibt es bald wieder Pasta mit Salbeibutter. Mit noch mehr Salbei.

Ich zappe zwischen Yoga-Philosophie und Popmusikreviews, meditativer Ruhe und Garagen-Rock-Geschrebbel auf YouTube. Vielleicht noch eine Folge mit 'Dexter', dem Massenmörder von Miami. Nach eineinhalb Staffeln innerhalb von drei Tagen fühle ich mich halbwegs mitschuldig an Dexters blutigen Verbrechen. Mehr als 30 Morde. Vorgestern noch kurz im Bioladen ein Croissant, Ziegenkäse und Brausebonbons erworben. Ich beobachte mich dabei, wie ich mich, als hätte ich etwas zu verbergen, mit geschmeidiger Unauffälligkeit zwischen den Regalen bewege und small-talk mit den Damen am Tresen halte. Launigkeit. Die Schultern leicht eingezogen, das Lächeln zu breit, als wartete ich auf den Blick, der mich entlarvt und die Hand, die mich packt.

Wahrscheinlich wird man mich wegen unkontrollierten Verzehrs von Brausebonbons überführen.

Swamiji schreibt passend. Dass heute der jährliche Tag der Vergebung sei. Und schickt folgendes Mantra:

I forgive all living beings, may all of them forgive me,
I have friendship with all, enmity with none.
Thus, I truly reflect, reproach, censure and abhor (my wrong doings)
I atone threefold (for my acts of mind, speech and body) and pay obeisance to the 24 Jinas (Founding Masters of Jaina Tradition).
14. September 2012

Hirntot

Nachdem ich gestern Nacht auf Geheiß des Esoterikers einige Folgen Dexter gesehen habe, bin ich überzeugt davon, dass er den strengen yogischen Regeln sämtlichst abhold ist. Irgendeine der Sutras sagt uns bestimmt, wir sollen den Blick abwenden von Blut bzw. uns von zerstückelten Leichen fernhalten, die auf Eisfeldern gelagert werden.

Ich bin jetzt also auf dem Weg in die große Stadt, um Graham Coxon spielen zu sehen und zu hören und die Bilder von zerstückelten Leichen zu vergessen. Gekleidet wie eine Eisbärin beobachte ich den Wind in den Haaren der in Wolfsburg Ausgestiegenen, anscheindend ist heute ein Tag der wilden Tiere, die im urbanen Raum heimisch sind. Ein Quatsch schreib ich da.

Streng genommen sind der Esoteriker und Graham Coxon Bilder meines inneren Mannes. Der Tontechniker ist es sicherlich auch. Alle Drei repräsentieren unüberbrückbare Teile des Selbst, das sich, von Bemühungen zermürbt, allen gerecht zu werden, oft verzettelt auf dem Weg zur Glückseligkeit. Den einen will ich nicht, den anderen kann ich nicht haben und der Dritte wiederum will mich nicht. Das Dilemma ohne Humor betrachtet, gerinnt zu zähem Gedöns. Mit Humor ist es zumindest aus meiner Sicht lustiger, ob die anderen Humor besitzen, kann ich nicht feststellen. Der Esoteriker hat manchmal das Jammern, Graham Coxon ist reine Einbildung und der Tontechniker hat eine stete Angstschweißperle auf der Stirn, symbolisch gesehen.

Sei's drum, dies, der zweite Text, den ich hier schreibe, ist nicht von der Art, die ich im Sinn hatte. Ich dachte an Blumiges, Besinnliches, eventuell Humorvolles, durchwirkt mit gelegentlichen Anspielungen von Sex oder Drogen. So wie gestern, denn die Pflanzen des Esoterikers sind keine Apfelbäumchen, sondern echte Cannabisgewächse mit viel versprechenden Samen- oder Blütenständen, so genau weiß ich das nicht. Aus langatmigen Gründen stehen sie nicht auf seinem sonnigen Balkon, sondern bei mir in Bad und Wohnzimmer.

Cannabispflanzen, Dexters Leichen und eine stattliche Anzahl weiterer unyogischer Themen gehen also von dem Esoteriker aus. Landen in meinem Bewusstsein, ungefiltert und richten dort Unruhe an. Die Buddhistin und ich, wir können gar nicht genug meditativ walken, um diese schrägen Gedankenwellen wieder zu glätten. Nirodha. Nirodha ist, wenn die Gedankenwellen zur Ruhe kommen, und das Selbst erscheint. Es wird Zeit.

Das 'Gelände' bietet halbwegs reuelose und teils einfallsreich bebilderte Texte, nach uraltem Rezept geschrieben, gesammelt, im Zeitstrahl gebannt und von aufständischen Dadaisten in letzter Sekunde gut geheißen.

Hier kommt ein Bild:

hinten auf'm Hof

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