21. Dezember 2012

WU (Weltuntergang)

Es hat in meinem Leben Phasen gegeben, in denen mir ein Weltuntergang mehr als lieb gewesen wäre. Mit 17 litt ich am Überdruss an der Welt im allgemeinen und an der zänkischen Welt meiner Eltern im Besonderen. Nicht mal die 70er Jahre vermochten ihre Vorstellungen, mit denen sie ihre Hirne fütterten, zu erfreuen. Ich war damals ein melancholischer und humorloser Mensch, mein Gesicht gezeichnet von grenzenloser Traurigkeit usw.

Die Studienzeit war heiter und voller Witz, der manchmal ins Zynische kippte, auch das gefiel mir, und ich begriff, dass Weltschmerz auch seine lustigen Seiten haben konnte. Es folgten weitere Jahre unbekümmerten Rummachens in und mit dem Leben, und meine kindliche Weltfremdheit wich einer Art Arrangement, ich tu dir nichts, wenn du mir nichts tust. Das ging eine Dekade gut, ich fand die große Liebe, mit der ich gemeinsam die Welt entdeckte. Und gleichzeitig auch die Vergänglichkeit, die ihnen eigen ist, der Welt und der Liebe. Sie ging einfach unter, die Liebe. Nicht die Welt.

Wieder in der Zeit zurück, Ende der 70er: K. und ich haben oft über den Untergang der Welt philosophiert, ihn herbeigesehnt, 2000 sollte er stattfinden, ich konnte mir damals mit 17 beim besten Willen nicht vorstellen, wie ich mit 39 sein würde. 39 war alt. Irgendwie dachte ich, dass so ein Leben eine Art Gleis ist, auf dem man reist, meine Vorstellungskraft war im Gegensatz zu heute völlig unausgebildet, es gab anscheindend keine Möglichkeit, dem zu entkommen, und obwohl ich Hippie war, würde ich zwangsläufig mit Seidenstrümpfen, Faltenrock, oben eine Bluse und Haaren wie Mirelle Matthieu den Jahrtausendwechsel erleben. Als erlaubte eine fremde Macht mir eine Weile fröhliches Hippietum, aber das Erwachsensein würde unweigerlich hereinbrechen und schmerzlich sein, wie auch sonst. Grund genug also, am Wunsch nach vollständiger Zerstörung dieser irren Welt festzuhalten.

Mit 41 trug ich aber immer noch Hosen, Turnschuhe, ausgewaschene T-Shirts und uneindeutige Sexualität. Ich liebte Computer und das Internet. Zu der Zeit machte ich mich auf in ein großes Abenteuer, sechs Monate in einem fernen Land an der Seite der Prinzessin. Sie und die Welt waren wunderschön.

Dann wird es wirr. Ein Freund stirbt, da ist Verzeiflung und ich ziehe mich zurück in die Esoterik, die mir gefälligst Fragen beantworten soll. In einem Esoterikforum im Web, in dem ich mir die Finger wund schreibe, finden sich jede Menge Weltuntergangsanhänger. Es ist ein Rückfall, aber auch ein nach Hause kommen. Also geht die Welt doch unter! Es gab jetzt 'Beweise', Filme im Netz, eine Unzahl Bücher, die es ja wissen mussten. Wir haben Szenarien und Überlebensstrategien erdacht in der Hoffnung zu den Überlebenden zu gehören, mit diesem ganzen Bierernst, der Esoterikern zu eigen ist, da herrschte noch nicht mal lustiger Zynismus, da war einfach Angst, die diese stoische Selbstaufgabe in sich trägt, die ich, Jahre später, in dem Esoteriker wieder sah.

Viel Vergeblichkeit in jener Zeit, wenig Unterscheidungsfähigkeit. Liebesaffären, die nicht hätten sein müssen. Obendrauf die unerfüllte Sehnsucht zum Geräuschemann – ein Weltuntergang wär da angemessen gewesen.

Ach, Affinität zur Apokalypse, ich durchschau dich jetzt! Du bist bloß Machtlosigkeit, die sich durch Zerstörungswunsch tarnt. Das elende Kleinheitsgefühl, die Ohnmacht, am besten gleich alles in Schutt und Asche legen, alle tot und dann ist gut, endlich vorbei. ––
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"OMG it has begun!!! In Australia!!! No Photoshop!" (Quelle: Facebook)

Heute ist ein schöner Tag.

Niemals hätte ich mir mit 17 ausmalen können, was für ein lustiges Nicht-Ereignis… welch ein Spaß so ein ungeschehener Weltuntergang sein würde. Das Netz ist voll mit Bildern und Anspielungen, Lifetickern und anderem Schabernack, aber dieses Bild ist mir das Liebste. Fast noch witziger sind die vielen Fachkommentare dazu: Es wäre fake und photoshopped, ganz eindeutig.

Ich krieg jetzt die Pointe nicht hin, auch egal, ich lass das jetzt so. Heute ist ein echt schöner Tag!

Das 'Gelände' bietet halbwegs reuelose und teils einfallsreich bebilderte Texte, nach uraltem Rezept geschrieben, gesammelt, im Zeitstrahl gebannt und von aufständischen Dadaisten in letzter Sekunde gut geheißen.

Hier kommt ein Bild:

Bude

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