Information overload
Gerade finde ich die Welt groß, schön und bunt. Ich war heute bei den Abschlusspräsentationen der Studenten der Fotografie an meiner ehemaligen FH. Jetzt heißt das Dings ja Bachelor, damals schlossen wir noch mit Diplom ab am Standort Herrenhausen. Seit 12 Jahren befindet sich die Fakultät nun auf dem Expo-Gelände im früheren Global House. Ich bin immer ein bisschen neidisch, weil ich das lichte Gebäude mit dem großen Atrium und dem vielen Holz wirklich schön finde. Ins Atrium hinein blicken Räume und Werkstätten, es gibt hochgelegene Galerien, von denen man schauen oder in andere Gebäudeteile wechseln kann.
Letztes Jahr hatte ich Kommunikations-Design-Studentin N. auf einer Veranstaltung für Existenzgründer kennen gelernt und danach haben wir uns oft zufällig im Viertel getroffen und gefachsimpelt. Natürlich fühle ich mich jetzt etwas alt unter den jungen 'Leuten', trotzdem sehr wohl – es sind einfach meine Leute. Aufregung, Neugier und Begeisterung sind zu spüren und ich erinnere mich an meine eigene Dimplom-Präsentation. Ich erzähle N., dass damals alles noch mit der Hand gemacht wurde, es gab zwar einige Computer, aber mit denen konnte man kaum ernsthaft arbeiten Ende der 80er, wir teilten uns zu dritt einen langsamen PC und die Nadeldrucker-Prints unserer ersten Versuche mit 'Paint' waren qualitativ indiskutabel. Satz war Photosatz, wir mussten unsere Textfahnen beim Setzer bestellen, Schriftart, Größe, Durchschuss und Satzbreite angeben und zurück bekamen wir nach ein paar Stunden oder auch Tagen Blätter aus Photopapier mit unseren Texten. N. findet das sehr lustig, und ich auch, da ich mich jetzt erinnere. Alles hat ewig gedauert, und die Seiten meiner Diplom-Arbeit bestehen aus handgeschnippelten Collagen und Original-Illustrationen und -Kalligrafien. Wahrscheinlich ist der Kleber schon vergilbt, ich habe die Arbeit lange nicht hervorgeholt. Den theoretischen Teil mit Schreibmaschine, immerhin hatte meine schon eine Korrekturfunktion, verschiedene Typen mit echter Spationierung. So sah das ganze recht ordentlich aus.
Als ich frage, ob N. ihre 'Dias zeigen' wird, lacht sie. Natürlich weiß ich, dass sie eine PDF-Präsentation auf die Leinwand beamen wird, aber der Gedanke, dass es keine Dias mehr gibt, mit Korn und perfekt belichtet, bestürzt mich in diesem Moment. Als N. an der Reihe ist, beobachte ich ihre Kalibrierungsversuche für den Monitor, eigentlich sind alle Einstellungen schlecht, mal suppt das Schwarz zu, mal reißt das Weiß auf, und der feine Rotstich ist unübersehbar.
N. beim Präsentieren
N. hat ein interessantes Thema und ihre gezeigten Bilder sind wirklich gut. Absicht ist es, in ihren Fotografien das Lebensgefühl ihrer Generation darzustellen. Ich bin begeistert, nicht nur über den seltsamen Titel – ihre theoretische Abhandlung, die sie mit etwas unsicherer Stimme vorträgt, ist äußerst interessant. Sie erwähnt dabei auch meine Generation, die Baby-Boomer. Ich denke, sie weiß nicht, dass ich möglichwerweise im Alter ihrer Eltern bin. Als ich erwähne, dass ich 1989 abgeschlossen habe, bekomme ich ein Kompliment, du hast dich aber gut gehalten.
Inmitten dieser Studenten, die alle meine Kinder sein könnten. Die anwesenden Profs kenne ich nicht mehr, dass ich aber den damaligen Photo-Hiwi sehe, erfreut mich über Gebühr. Auf dem FB-Profil meiner Professorin H. lese ich, dass sie seit 2011 im Ruhestand ist. Sie kam mir immer sehr jung vor, über ihr genaues Alter wusste ich nichts. Für mich war sie stets Vorbild für Jugendlichkeit trotz hoher beruflicher Position oder so. Außerdem war sie lesbisch. Ich nehme an, dass sie gewusst hat, dass ich damals sehr in S. verliebt war – sie und ich haben zum Diplom eine Gemeinschaftsarbeit vorgelegt, die ein gewisses Aufsehen erregte. In unserer Arbeit nähern wir uns an, erkennen aber gleichzeitig die Unmöglichkeit echter Nähe. Seltsam, das fällt mir jetzt erst ein.
Noch mehr Erinnerungen schwappen zur Zeit ins Gedächtnis, weil ich die Unzialis, die ich damals im Kalligrafie-Unterricht bei Prof. H. mit Hand, Tinte und Feder geschrieben habe, jetzt als DTP-Font ausarbeite. Ich liebte den Mann, der offen schwul war und damals schon ziemlich alt, vielleicht lebt er ja gar nicht mehr. Beide Profs haben mich weit über Vernünftiges hinaus unterstützt und ich nehme an, die Sympathie, Liebe und Achtung war gegenseitig.
Übungsblatt, Unzialis. In einem früheren Leben war ich sicher mal mönchischer Schreiberling.
Nachdem N. präsentiert hat, läd sie mich ein, draußen mit den anderen ein Pappbecherchen Sekt zu trinken. Sie hat einen netten Freund, der sie mit einem dicken, freundlichen Stirnkuss belohnt und irgendwie bin auch ich stolz auf sie. Einer ihrer Profs kommt kurz zum Gratulieren vorbei, lobt nochmal ihr Thema und bemerkt, dass 90 % der Anwesenden sicherlich überfordert waren, sachlich und emotional. Was für den Kopf, sagt er. Das möchte ich nicht glauben, aber vielleicht hat er Recht. Vielleicht beweist N. mit ihrem Versuch, Unsichtbares sichtbar zu machen eine unerwartete Reife, ein aus der Reihe Scheren, eine Besonderheit, und insofern fühle ich mich plötzlich ihr nah, weil ich mich ebenso besonders behandelt gefühlt habe damals.
Ja, die Welt ist groß, bunt und schön. Arbeite selbst gerade an meiner Website, wühle mich durch Fotodateien, um Serien zusammenzustellen und fühle mich jung, als wäre ich gerade wieder am Anfang von etwas… Neuem, das es zu sehen und auszuprobieren gilt, Farben, Formen, Themen, bestimmte Ansätze und Theorien, die auch ich mit meiner gestalterischen Arbeit darstellen möchte.
Es ist schön zu tun. Habe langweilige Tage, fast schon Wochen hinter mir, in denen ich bloß die tägliche Arbeit erledigt habe, mit Freude zwar, aber daheim habe ich viel geschlafen, wodurch die Trägheit noch wuchs, an Schreiben war nicht zu denken. Außerdem hat das viele Lesen in Foren und von Blogs (mit hohen Besucherzahlen!) und deren geheimes oder offenes Besucherzahlengekungel mich fragen lassen, warum wir überhaupt schreiben. Anerkennung, Klicks, Liebe. Vieles ist bloßes Gejammere, überhaupt stelle ich fest, dass sich viel beschwert wird, über die schlechte Welt, über die Unerfülltheit von Wünschen oder über gesellschaftliches Treiben, das so nicht sein sollte und so weiter, gähn.
Ich möchte doch jetzt lieber wieder für mich schreiben, deshalb nehme ich den Zähler raus, soll's mir egal sein, wer und wie viele Leser da sind. Ich möchte wieder mehr Bild, mehr Farbe, dazu werde ich meinen tumblr regelmäßig füllen. Am liebsten würde ich alle meine FB-Freunde löschen, aber dann doch ist es ja ganz schön, sie alle beisammen zu haben, ursprünglich bin ich bei FB, weil ich Frau Ch. nah sein wollte. Und den Kleiderscharnk will ich auch ausmisten.
Soso, ein langer Text, war wohl nötig. Und über das Treffen mit meiner alten Freundin C. werde ich auch noch berichten. 'Jedenfalls haben wir uns wieder', sagt sie.
Letztes Jahr hatte ich Kommunikations-Design-Studentin N. auf einer Veranstaltung für Existenzgründer kennen gelernt und danach haben wir uns oft zufällig im Viertel getroffen und gefachsimpelt. Natürlich fühle ich mich jetzt etwas alt unter den jungen 'Leuten', trotzdem sehr wohl – es sind einfach meine Leute. Aufregung, Neugier und Begeisterung sind zu spüren und ich erinnere mich an meine eigene Dimplom-Präsentation. Ich erzähle N., dass damals alles noch mit der Hand gemacht wurde, es gab zwar einige Computer, aber mit denen konnte man kaum ernsthaft arbeiten Ende der 80er, wir teilten uns zu dritt einen langsamen PC und die Nadeldrucker-Prints unserer ersten Versuche mit 'Paint' waren qualitativ indiskutabel. Satz war Photosatz, wir mussten unsere Textfahnen beim Setzer bestellen, Schriftart, Größe, Durchschuss und Satzbreite angeben und zurück bekamen wir nach ein paar Stunden oder auch Tagen Blätter aus Photopapier mit unseren Texten. N. findet das sehr lustig, und ich auch, da ich mich jetzt erinnere. Alles hat ewig gedauert, und die Seiten meiner Diplom-Arbeit bestehen aus handgeschnippelten Collagen und Original-Illustrationen und -Kalligrafien. Wahrscheinlich ist der Kleber schon vergilbt, ich habe die Arbeit lange nicht hervorgeholt. Den theoretischen Teil mit Schreibmaschine, immerhin hatte meine schon eine Korrekturfunktion, verschiedene Typen mit echter Spationierung. So sah das ganze recht ordentlich aus.
Als ich frage, ob N. ihre 'Dias zeigen' wird, lacht sie. Natürlich weiß ich, dass sie eine PDF-Präsentation auf die Leinwand beamen wird, aber der Gedanke, dass es keine Dias mehr gibt, mit Korn und perfekt belichtet, bestürzt mich in diesem Moment. Als N. an der Reihe ist, beobachte ich ihre Kalibrierungsversuche für den Monitor, eigentlich sind alle Einstellungen schlecht, mal suppt das Schwarz zu, mal reißt das Weiß auf, und der feine Rotstich ist unübersehbar.
N. beim Präsentieren
N. hat ein interessantes Thema und ihre gezeigten Bilder sind wirklich gut. Absicht ist es, in ihren Fotografien das Lebensgefühl ihrer Generation darzustellen. Ich bin begeistert, nicht nur über den seltsamen Titel – ihre theoretische Abhandlung, die sie mit etwas unsicherer Stimme vorträgt, ist äußerst interessant. Sie erwähnt dabei auch meine Generation, die Baby-Boomer. Ich denke, sie weiß nicht, dass ich möglichwerweise im Alter ihrer Eltern bin. Als ich erwähne, dass ich 1989 abgeschlossen habe, bekomme ich ein Kompliment, du hast dich aber gut gehalten.
Inmitten dieser Studenten, die alle meine Kinder sein könnten. Die anwesenden Profs kenne ich nicht mehr, dass ich aber den damaligen Photo-Hiwi sehe, erfreut mich über Gebühr. Auf dem FB-Profil meiner Professorin H. lese ich, dass sie seit 2011 im Ruhestand ist. Sie kam mir immer sehr jung vor, über ihr genaues Alter wusste ich nichts. Für mich war sie stets Vorbild für Jugendlichkeit trotz hoher beruflicher Position oder so. Außerdem war sie lesbisch. Ich nehme an, dass sie gewusst hat, dass ich damals sehr in S. verliebt war – sie und ich haben zum Diplom eine Gemeinschaftsarbeit vorgelegt, die ein gewisses Aufsehen erregte. In unserer Arbeit nähern wir uns an, erkennen aber gleichzeitig die Unmöglichkeit echter Nähe. Seltsam, das fällt mir jetzt erst ein.
Noch mehr Erinnerungen schwappen zur Zeit ins Gedächtnis, weil ich die Unzialis, die ich damals im Kalligrafie-Unterricht bei Prof. H. mit Hand, Tinte und Feder geschrieben habe, jetzt als DTP-Font ausarbeite. Ich liebte den Mann, der offen schwul war und damals schon ziemlich alt, vielleicht lebt er ja gar nicht mehr. Beide Profs haben mich weit über Vernünftiges hinaus unterstützt und ich nehme an, die Sympathie, Liebe und Achtung war gegenseitig.
Übungsblatt, Unzialis. In einem früheren Leben war ich sicher mal mönchischer Schreiberling.
Nachdem N. präsentiert hat, läd sie mich ein, draußen mit den anderen ein Pappbecherchen Sekt zu trinken. Sie hat einen netten Freund, der sie mit einem dicken, freundlichen Stirnkuss belohnt und irgendwie bin auch ich stolz auf sie. Einer ihrer Profs kommt kurz zum Gratulieren vorbei, lobt nochmal ihr Thema und bemerkt, dass 90 % der Anwesenden sicherlich überfordert waren, sachlich und emotional. Was für den Kopf, sagt er. Das möchte ich nicht glauben, aber vielleicht hat er Recht. Vielleicht beweist N. mit ihrem Versuch, Unsichtbares sichtbar zu machen eine unerwartete Reife, ein aus der Reihe Scheren, eine Besonderheit, und insofern fühle ich mich plötzlich ihr nah, weil ich mich ebenso besonders behandelt gefühlt habe damals.
Ja, die Welt ist groß, bunt und schön. Arbeite selbst gerade an meiner Website, wühle mich durch Fotodateien, um Serien zusammenzustellen und fühle mich jung, als wäre ich gerade wieder am Anfang von etwas… Neuem, das es zu sehen und auszuprobieren gilt, Farben, Formen, Themen, bestimmte Ansätze und Theorien, die auch ich mit meiner gestalterischen Arbeit darstellen möchte.
Es ist schön zu tun. Habe langweilige Tage, fast schon Wochen hinter mir, in denen ich bloß die tägliche Arbeit erledigt habe, mit Freude zwar, aber daheim habe ich viel geschlafen, wodurch die Trägheit noch wuchs, an Schreiben war nicht zu denken. Außerdem hat das viele Lesen in Foren und von Blogs (mit hohen Besucherzahlen!) und deren geheimes oder offenes Besucherzahlengekungel mich fragen lassen, warum wir überhaupt schreiben. Anerkennung, Klicks, Liebe. Vieles ist bloßes Gejammere, überhaupt stelle ich fest, dass sich viel beschwert wird, über die schlechte Welt, über die Unerfülltheit von Wünschen oder über gesellschaftliches Treiben, das so nicht sein sollte und so weiter, gähn.
Ich möchte doch jetzt lieber wieder für mich schreiben, deshalb nehme ich den Zähler raus, soll's mir egal sein, wer und wie viele Leser da sind. Ich möchte wieder mehr Bild, mehr Farbe, dazu werde ich meinen tumblr regelmäßig füllen. Am liebsten würde ich alle meine FB-Freunde löschen, aber dann doch ist es ja ganz schön, sie alle beisammen zu haben, ursprünglich bin ich bei FB, weil ich Frau Ch. nah sein wollte. Und den Kleiderscharnk will ich auch ausmisten.
Soso, ein langer Text, war wohl nötig. Und über das Treffen mit meiner alten Freundin C. werde ich auch noch berichten. 'Jedenfalls haben wir uns wieder', sagt sie.
keinekrabbe - 24. Januar, 20:19
Sie schreiben auch für mich, ich freu mich immer so! Dann sind wir mindestens zwei!
FB hängt bei mir grad am seidenen Faden, nur die Neugier auf eine Person hält mich. Na, mal sehen.
Ich nutze FB gern als Magazin,
Ja, werte Frau Montez, dann schreiben wir für uns, und Sie gucken auch nicht mehr dauernd in die Statistiken, ja? Jedenfalls sehen Sie dort, dass ich Sie dauernd anklicke.