30. Oktober 2012

In einem Zug

Eben hatte ich für einen kurzen Moment vergessen wie alt ich bin. Nachdem ich anhand meines Geburtsjahres nachgerechnet hatte, war ich etwas erschrocken. Es ist ja aber doch nur eine Zahl. Soundsoviel Reiskörner würden keine sättigende Mahlzeit ergeben, soundsoviele Backsteine ein Häuschen bloß für ein kleines Tier, vielleicht eine Katze.

Die Zeit in diesem Zug vergeht schnell. Verschiedene Wetterzonen, im Süden noch Sonne mit Weitblick auf die verschneite Gebirgskette, später lieblich-bunte Weinberge, ab Mannheim Regen mit muffiger Lichtstimmung, und wenn ich daheim bin, wird es dunkel sein. Jetzt geht es erstmal rückwärts weiter.

Ich finde es selbst irgendwie autistisch, dass ich mich auf die tägliche Büro-Routine zu Hause freue. Ich habe eine neue Kundin, der ich die Website machen kann. Seit dem Desaster mit den Naturkosmetischen Anfang des Jahres, das ich zum Anlass gnommen habe, mich von der gemeinsamen Arbeit zu verabschieden, war meine wichtigste Einnahmequelle versiegt. Aber es gibt ein kleines Erbe, das mich beruhigt und eine Weile reicht. Am Ende des Jahres werde ich feststellen, dass ich das Gesparte doch nicht habe anrühren müssen.

An der Seite des Esoterikers hatte ich mich philosophisch etwas verirrt und mich geschämt für meinen kleinen Wohlstand. Das o. g. Design-Desaster hatte mich in eine existenzielle Krise gestürzt, die Ablehnung meiner gestalterischen Fähigkeiten so verunsichert, dass ich Freundinnen erzählte, ich würde nie wieder kreativ arbeiten und das 'Haushalten' des Esoterikers, so will ich es mal nennen, dessen Gast ich war, tat sein Übriges. Wer bei Penny und Lidl einkaufen gehen muss, vergisst schnell, dass es sowas wie Schönheit geben darf oder Achtsamkeit. Davon ist dort spätestens in der Nahrungsmittelpräsentation jedenfalls nichts zu spüren. Ich fühlte mich falsch zwischen den kalt beleuchteten Regalen, reich, zickig und verwöhnt mit meinem albernen Wunsch nach Biogemüse in Holzregalen und rotwangigen Verkäuferinnen mit Zeit zum Plaudern.

Das dauernde Rechtfertigen ging mir auf den Geist und die Auseinandersetzung mit seiner Armut fraß an meinem Gerechtigkeitssinn (so hatte wenigstens eine was zu essen, haha). Die zweite Hälfte unseres neunmonatigen Begegnens verbrachten wir fast ausschließlich bei mir, unter Verwendung von Lebensmitteln, die ich auf dem Markt und im Bioladen besorgte. Vielleicht war es ihm unangenehm, ich jedenfalls konnte meine Gastfreundschaft und Selbstlosigkeit als Zeichen spirituellen Fortschritts definieren. Es war ein schmerzhaft nutzloses Unterfangen, zwischen uns so etwas wie Gleichheit herstellen zu wollen. Die Rolle, die ich innehatte, ist mir bis heute nicht ganz klar. Und auf welcher Seite genau das Gefälle war, lässt sich wohl noch lange ausdeuten.
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Wer arm ist, muss bei Wind und Wetter draußen grillen.

Das 'Gelände' bietet halbwegs reuelose und teils einfallsreich bebilderte Texte, nach uraltem Rezept geschrieben, gesammelt, im Zeitstrahl gebannt und von aufständischen Dadaisten in letzter Sekunde gut geheißen.

Hier kommt ein Bild:

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