17. März 2013

Welches Wetter, welche Jahreszeit

Jetzt hat es doch wieder geschneit. An ähnliche Winter kann ich mich nicht erinnern. Nicht, dass es sie nicht gegeben hätte. Aber ich weiß nie, wie die Jahreszeiten der letzten Jahre waren. Kannst du dich noch an den Frühling vor einem Jahr erinnern? Nein. Vor einem Jahr war ich in Indien, erst war es kühl und man benötigte Jacken und später war es schon heißer und erstmalig die lärmende Aircon an. Und im Sommer war ich sehr oft draußen schwimmen, also war das Wetter sicherlich angenehm. Der Rest hat nicht viel mit Wetter zu tun.

Herausragend zum Beispiel der Sommer, in dem die WM stattfand. Es war wahnsinnig heiß und S. aus dem Vorderhaus brachte seinen Großbildschirm in den Garten und wir schauten gemeinsam die wichtigsten Spiele. Jeder der Nachbarn brachte kühle Getränke oder Obst mit, hauptsächlich Melonen aller Art, die waren das einzig Essbare bei der Hitze. Ich hatte eine Romanze mit S., wir teilten Frühstück und Abendbrot, morgens machte er Milchkaffee, nachdem ich von oben runter rief, dass ich gleich käme mit dem ayurvedischen Grießbrei, den er sich wünschte, am Abend bereitete er kleine überbackene Ziegenkäse, Salat und reichte Biere. Es war ein bisschen wie wohlwollend verheiratet sein und füreinander sorgen, aber ohne bedeutende Verliebtheit.

Oder die Frühsommerwoche in Helsinki bei dem finnischen Freund. Wir lagen lange am Strand und es war heißer als daheim in Deutschland. Ich nahm damals Johanniskraut, das macht lichtempfindlich, und bekam auf der rechten, der Sonne zugewandten Wange einen großen Fleck ungleichmäßiger Bräune, die das ganze Jahr nicht verblasste.

Welcher Winter? Als der Maschsee zugefroren war, das ist er allerdings öfter. Die wärmsten Kleidungsstücke waren die Motorradhosen mit Medima Wollunterhosen, Bergschuhen und mehreren Pullis, Jacken und Mänteln, Unbeweglichkeit über Wochen. Meine Schwester hatte diesen schrecklichen Freund, der dauernd ihren damals noch kleinen Sohn beschimpfte, und ich konnte nichts machen, denn der Mann machte mir Angst. Während eines Urlaubs in den Dünen warf er ein Gartentor nach ihr. Danach war gottseidank Schluss. Er arbeitete als Aufseher im Knast und später war er im Knast und wurde beaufsichtigt.

Und ein Herbst? Ich mit der XT 250 nach Köln auf der Bundesstraße, bei schönstem und sanftestem Wetter. 350 km, ich brauchte acht Stunden, die XT machte höchstens 105 km/h, und ich schaffte es nicht, auf den zweispurigen Abschnitten LKWs zu überholen, die 90 fuhren. Auf der Rückfahrt brauchte ich sieben Stunden, hab mir keine Pause gegönnt, außerdem brannte die Sonne auf die lederbehosten Oberschenkel.

Und der Winter Ende Februar, als ich nach sechs Monaten aus Hong Kong zurück kam. Es war der erste Sonnentag in Deutschland nach einem harten Winter und bis zum Spätsommer sollte es nicht mehr regnen noch Wolken überhaupt geben.

Die vielen Frühlinge und Herbste, in denen wir Kinder bei noch tiefer Sonne Rollschuh fuhren, entsprechend lange Schatten warfen wir. Die eineinhalb Jahre nach meinem Studium, morgens von vier bis sechs Zeitung austragen und nie hat es in der Zeit geregnet. Glück in leeren Straßen beleitet vom Geruch frischer Druckerschwärze. Reise mit T. nach Italien im Oktober. Kein Schnee in den Alpen und wir mit offenem Dach im Fiat Barchetta über den Brenner.

Die anderen Wetter verschwimmen. Motorrad fahren mit T. im Gewitter, von Blitzen umzuckt, so kam es mir vor. Rodeln im Park über Todeshuckel und durch Todeskurve. Schnee essen. Als ich klein war, nahm ich das Wetter, wie es kam, da gab es noch keine Sehnsucht nach anderen, vermeintlich schöneren Jahreszeiten. Wenn der Schnee taute, habe ich nicht verstanden, wieso das Rodeln nicht mehr ging, auf der Matsche, wo später dichtes Gras wachsen würde, in dem wir uns verstecken konnten.
architektur
Mittagsspaziergang an architektonischen Scheußlichkeiten

Ja. Vielleicht werde ich mich an den heutigen Spaziergang mit der Buddhistin erinnern, der uns durch's Viertel führt, wir beide schweigend, als hätten wir uns abgesprochen. Vielleicht wird dies aber auch der Winter sein, in dem ich oft glücklich war, indem ich viel geschrieben habe, weißt du noch, Mitte März noch richtig Schnee oder in dem ich lernte mich zu lieben. Oder ein Winter von vielen, auf dem Weg, weiterhin, so wie alle auf dem Weg sind zu sich, sommers und winters.

Das 'Gelände' bietet halbwegs reuelose und teils einfallsreich bebilderte Texte, nach uraltem Rezept geschrieben, gesammelt, im Zeitstrahl gebannt und von aufständischen Dadaisten in letzter Sekunde gut geheißen.

Hier kommt ein Bild:

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