Etwas mehr von Cornwall
Trevalga, Blick aus dem Fenster
Während die Frau Montez mit Siebenmeilenstiefeln die kornische Landschaft schreibend durcheilt, möchte ich gern am Wegesrand stehenbleiben und ein wenig verweilen, und zwar direkt am Southwest Coast Path, noch direkter in Trevalga, einem winzigen Örtchen zwischen Boscastle und Tintagel, klippenhoch gelegen mit weitem Blick nach Nord und Süd. Die Frau Montez selbst war es, die mich hierher geschickt hat. Und so fuhr ich zweimal in jenem Jahr 2011, im Frühjahr, da war das Wetter noch gräulich und so rauh, dass ich Angst hatte von schmalen Graten geweht zu werden, und dann nochmal richtig im Sommer, mit der Erwartung auf Baden im Meer und langen Wanderungen am Strand oder hoch auf den Klippen.
Ich lebte beide Male bei L., die in Trevalga ein rumpelig-gemütliches B&B betreibt, jeden Morgen aß ich englisches Frühstück, ohne dass es mir langweilig wurde, Haferbrei, Spiegeleier, Tomaten, Bohnen, hash browns, Toast und Marmelade. Nur auf Speck und Würstel verzichtete ich. Danach machte ich mich auf, entweder durch das Örtchen zum Coastal Path, von dort nach Norden oder Süden, so wie es mir gefiel oder an die Straße, um dem Bus zu winken, der mich meistens Richtung Norden fuhr, nach Crackington Haven oder noch weiter, nach Bude.
Crackington Haven sieht so aus wie der Name sich anhört: Wildes Gestein liegt irre am Strand herum, es hat mir buchstäblich den Atem genommen als ich aus dem Bus gestiegen war und von oben von der Straße kommend auf die Unordnung sah. Und dann runter und zwischen den Felsen herumlaufen, mit denen ein Riesenkind gespielt haben musste und vergessen hatte aufzuräumen. Noch imposanter allerdings ist der geologische Wahnsinn hinter Bude, Bude Strand, bei Ebbe läuft man kilometerlang auf plattem, hell- und dunkelbraun marmoriertem Sand, dort drüben dann diese dramatischen Verwerfungen in Zickzack, Brüchen, Rissen, Höhlen.
Strand bei Bude
Ich bin dort überall gewandert, habe alte Kirchen besucht mit ihren graveyards anbei, beinahe romantisch, und immer der Blick über das Meer, auch die Toten sollen es schön haben.
Wenn ich von den täglichen Stunden einsamen Wanderns zur Ruhe gekommen war, fehlte dann wieder mal die Stadt. Bude ist so eine kleine Stadt, in der man auf wenig Raum alles bekommt, was das Touristenherz von England begehrt. Ich kaufte mir einen Wetsuit und stiegt damit ins eisige Meer, der nächste Strand von Trevalga aus ist südlich, Bossiney Haven Beach, man muss jedesmal runter durchs Rocky Valley, dann wieder hoch auf die Klippen und dann mühsam direkt ans Wasser. Die Engländerinnen stehen so im Meer rum und quatschen und ich versuch's erstmal ohne Wetsuit, das Wasser ist arschkalt und brennt auf der Haut. 14 Grad, erfahre ich, so kalt bin ich noch nie geschwommen.
Bossiney Beach
Bei Flut steht das alles tief im Meer. Ich habe mir sagen lassen, dass der Tidenhub an der Steilküste ca. sieben Meter beträgt. Leben mit den Gezeiten, nach kürzester Zeit wusste ich meine Touren auf die Tide abzustimmen, am besten noch vor dem tiefsten Stand an den Strand, dann ist genug Zeit, um die tief klaffenden Höhlen zu untersuchen, gefährlich bei steigender Flut, die man unbedingt im Blick halten muss.
Noch ist Zeit zum Spielen
In Boscastle, ungefähr 40 Minuten zu Fuß am Küstenpfad gen Norden, einen Cappucchino trinken, ein dickes Stück Möhrenkuchen mit Zitronenguss dazu, Zeitung lesen, Menschen beobachten und wieder 40 Minuten zurück, der Weg wurde mir vertrauter von Mal zu Mal.
Man kann sagen, dass ich jede
Trevalga besitzt sogar eine Kirche, St. Petroc's. Am Sonntag ging ich dort zur Messe und auch sonst fand mich der Küster oft meditierend auf der mit rotem Samt bezogenen Bank, wenn er am Freitag die Heizung anwarf, damit die feinen Damen mit ihren jubilierenden Stimmen es am Sonntag comfortable hatten. Nach meinem allerletzten Spaziergang, als ich endlich doch noch einen Schwarm Delphine gesichtet hatte, sollte ich heulend in des Küsters Armen landen, sein vom Rasenmähen an der Kirchenmauer verschwitzes Unterhemd nahm auch noch diese Tropfen auf, I'm leaving tomorrow, es brach mir beinahe das Herz.
Moos hält sich am Fels fest.
Es schien ein einfaches Leben. Tagsüber wandern, Nachts schlafen, genügend essen, fotografieren. Ich wollte von allem weg. Mein Vater war im Januar gestorben und ich nahm ihn mit zu all den schroffen Felsen, von denen ich wusste, dass er sie auch lieben würde als eifriger Alpenkletterer, guck mal Papa, wie das hier aussieht! Während er in meinem Herzen mitreiste, konnte ich Abschied nehmen.
keinekrabbe - 25. März, 18:46