Familienbande
Das Treffen mit der Schulfreundin C. in der Heimatstadt hat also nicht stattgefunden wg. Krankheit ihrerseits, dafür hatte ich am Wochende genug Zeit, mich mit meiner Restfamilie zu beschäftigen. Normalerweise vermeide ich es, über Nacht zu bleiben, denn dieser fast stofflich zu fühlenden Atmosphäre von Symbiose 'Familie' möchte ich mich nicht gern lange aussetzen. Die Schwester reiste aus den Niederen Landen an, um ihren monatlichen Mutterbesuch abzuleisten und das ist stets eine gute Gelegenheit, sie zu sehen, denn ich fahre selten in ihre Stadt zum Rückbesuch. Die Gründe für meine Hollandvermeidung waren mir bisher nicht klar, aber sicherlich ist ein Grund das Rauchen, auch ihr Freund ist Freund des Tabaks und des – ich will es mal Sichgehenlassens nennen. Im Winter mit Katzenallergie in einer vollgequalmten und überheizten Wohnung zu sitzen ist mir ein Graus, natürlich hätte ich im Sommer fahren und ganztägig auf der Terrasse sitzen können, aber da war keine Zeit wegen des Esoterikers und den dauernden Frage-und-Antwort-Spielen.
Seit unser Vater vor knapp zwei Jahren seinen Körper verlassen hat, ist die Mutter allein. Die besten Freundinnen allesamt ebenfalls tot, hat sie nur noch uns Schwestern und einen Neffen von Vaters Seite, der sie wöchentlich zum Einholen fährt.
Es ist anstrengend, gebraucht zu werden. Mittlerweile gelingt es, aus den Pflichtbesuchen mir einen angenehmen Tagesausflug zu machen. Wir gehen in die Stadt, essen gesund, erledigen ein paar Dinge und besorgenDrogen Kuchen und zurück daheim sitzen wir noch auf dem Sofa zur Teestunde bei Kerzenlicht. Wir reden und schaffen es, gefährliche Themen zu umschiffen, weil ich mir verbitte, über den Vater herzuziehen und über die Vergangenheit. Das klappt mit uns beiden, aber wenn die Schwester dazukommt, finden wir keinen Halt und ergehen uns gemeinsam in teils hasserfülltem Erinnerungsaustausch, auch die Mutter kommt nicht zu kurz, und so wechseln Vorwürfe und Klugscheißereien ihre Adressaten über das, was wir falsch gemacht haben, was wir hätten besser machen können und wie wir gefälligst die Zukunft zu gestalten haben… usw.
Hinterm Mond beginnt die Ewigkeit
Hinter all dem aber, jetzt fehlt mir das Verb… es lauert ja nicht – über alldem steht das Ende des Lebens. Es ist offensichtlich, dass die Mutter den größten Teil ihres Lebens hinter sich hat. Seit ich Vater am Totenbett beweinte, empfinde ich die Mutter als in ihrer Auflösung begriffen. Es ist kaum merklich, und so wie ihr die Lebenskraft langsam abhanden kommt, so still werden wir beide manchmal, wenn wir beim Tee sitzen. Es sind winzige Zeichen, vielleicht interessieren sie meine Geschichten nicht mehr ganz so sehr, vielleicht ist sie ein bisschen froh, dass ich am Abend wieder nach Hause fahre und freut sich auf das Alleinsein, wenn da niemand ist, der sie zu Körperübungen anregen will und in der Küche Kniebeugen vormacht. Sie möchte nicht üben, und es ist mir ein Leichtes, mich in sie einzufühlen.
Sicherlich hat das Gefühl der Stille und Sprachlosigkeit, das mich zur Zeit umfängt, mit ihr zu tun und liegt nicht nur am Herbst. Das Mit-Gefühl, alles erledigt zu haben, gelassen zur Ruhe zu kommen fern der Welt und zu warten – auf etwas.
Ich möchte dieses 'etwas' jetzt nicht mehr 'sterben' nennen. Nach alldem, was ich weiß und wonach ich lebe, bedeutet das Sterben des Körpers nicht 'sterben', sondern einfach das Ende des sinnlichen Erfahrens dieser Welt. Jemand hat es mal beschrieben als 'der Körper entfernt sich von mir'. Das fand ich schön. Was wird dieses 'ich' sein, dessen Körper sich entfernt? In meiner Meditation versuche ich oft,das Sterben die Erfahrung der Körperlosigkeit Ewigkeit vorwegzunehmen. Ich kenne nun die Substanz, aus der die Person besteht und ich kenne nun die Substanz, die übrig bleibt, wenn die Persönlichkeit 'fort' ist und die Geschichte aufgegeben wurde. Nein, da ist keine Leere, da ist kein Nichts, denn 'nichts' als null ist nicht möglich.
Doch davon ein andernmal. Das hier ist eh schon zu lang.
Seit unser Vater vor knapp zwei Jahren seinen Körper verlassen hat, ist die Mutter allein. Die besten Freundinnen allesamt ebenfalls tot, hat sie nur noch uns Schwestern und einen Neffen von Vaters Seite, der sie wöchentlich zum Einholen fährt.
Es ist anstrengend, gebraucht zu werden. Mittlerweile gelingt es, aus den Pflichtbesuchen mir einen angenehmen Tagesausflug zu machen. Wir gehen in die Stadt, essen gesund, erledigen ein paar Dinge und besorgen
Hinterm Mond beginnt die Ewigkeit
Hinter all dem aber, jetzt fehlt mir das Verb… es lauert ja nicht – über alldem steht das Ende des Lebens. Es ist offensichtlich, dass die Mutter den größten Teil ihres Lebens hinter sich hat. Seit ich Vater am Totenbett beweinte, empfinde ich die Mutter als in ihrer Auflösung begriffen. Es ist kaum merklich, und so wie ihr die Lebenskraft langsam abhanden kommt, so still werden wir beide manchmal, wenn wir beim Tee sitzen. Es sind winzige Zeichen, vielleicht interessieren sie meine Geschichten nicht mehr ganz so sehr, vielleicht ist sie ein bisschen froh, dass ich am Abend wieder nach Hause fahre und freut sich auf das Alleinsein, wenn da niemand ist, der sie zu Körperübungen anregen will und in der Küche Kniebeugen vormacht. Sie möchte nicht üben, und es ist mir ein Leichtes, mich in sie einzufühlen.
Sicherlich hat das Gefühl der Stille und Sprachlosigkeit, das mich zur Zeit umfängt, mit ihr zu tun und liegt nicht nur am Herbst. Das Mit-Gefühl, alles erledigt zu haben, gelassen zur Ruhe zu kommen fern der Welt und zu warten – auf etwas.
Ich möchte dieses 'etwas' jetzt nicht mehr 'sterben' nennen. Nach alldem, was ich weiß und wonach ich lebe, bedeutet das Sterben des Körpers nicht 'sterben', sondern einfach das Ende des sinnlichen Erfahrens dieser Welt. Jemand hat es mal beschrieben als 'der Körper entfernt sich von mir'. Das fand ich schön. Was wird dieses 'ich' sein, dessen Körper sich entfernt? In meiner Meditation versuche ich oft,
Doch davon ein andernmal. Das hier ist eh schon zu lang.
keinekrabbe - 21. November, 19:57